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Schwarzwildfang in Baden-Württemberg

Einführung

Die Wildforschungsstelle (WFS) des Landes Baden-Württemberg hat im Rahmen verschiedener Schwarzwildfangprojekte im Zeitraum zwischen 2009 und 2024 eine Evaluierung dieser Managementmethode sowie daraus resultierenden Empfehlungen vorgenommen. Der Schwarzwildfang wird häufig sehr kontrovers, zum Teil auch emotional, diskutiert. Eine faktenbasierte neutrale Einschätzung und Evaluierung der Methode unter wissenschaftlichen Ansatzpunkten ist somit wichtig.



Vor dem Hintergrund des sehr dynamischen ASP-Seuchengeschehens im mitteleuropäischen Raum wurde seit 2018 die Wildforschungsstelle durch das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR BW) damit beauftragt, die unterschiedlichen Fangmethoden zu evaluieren. Aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen mit unterschiedlichen Fängen, sollte die Effektivität verschiedener Fanganlagen überprüft werden, um praktische Erfahrungen mit verschiedenen Fangsystemen (Abbildung 1) zu bekommen sowie Weiterentwicklungen von bestehenden Fangsystemen vorzunehmen und um eine tierschutzkonforme Entnahme des Schwarzwildes – auch vor dem Hintergrund eines möglichen Seuchengeschehens in Baden-Württemberg – zu ermöglichen. Das seit 2020 in Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und seit 2024 in Hessen und Rheinland-Pfalz in den Schwarzwildbeständen auftretende ASP-Seuchengeschehen hat die Bedeutung der notwendigen Überprüfung der Managementmethode Schwarzwildfang in Baden-Württemberg noch einmal bestätigt (BLV & FLI 2020).



Im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit der Stabstelle Tierschutz bei Forschungsprojekten in Baden-Württemberg, wurden seit 2009 erste Schwarzwildfallen zum Fang von Schwarzwild zu Zwecken der Forschung getestet. Durch die teilweise erhebliche Verletzungsgefahr für Schwarzwild bei der Verwendung von Fallen aus Draht (Drahtgeflecht, Baustahlmatten etc.), wurde in Abstimmung mit der Stabstelle Tierschutz im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg auf eine Verwendung solcher Fallentypen ohne vorherige vollständige Innenverblendung mit Holz (Platten oder Bretter) für alle weiteren Projekte und Anwendungen in Baden-Württemberg seit 2012 verzichtet. Die im Rahmen weiterer Projekte getesteten bautechnisch tierschutzkonformeren Fallentypen waren Gegenstand der nachfolgenden Untersuchungen und Ergebnisse.

Die verschiedensten Fangversuche der Wildforschungsstelle in den letzten 15 Jahren haben gezeigt, dass Schwarzwildfang mit den unterschiedlichsten Fallensystemen möglich ist. Welche Rahmenbedingungen für den Einsatz dieser Methode notwendig sind, wurde durch die Wildforschungsstelle im Rahmen dieses Projektes evaluiert. Daraus resultierende Empfehlungen enthalten mögliche sowie notwendige Voraussetzungen für diese Managementmethode. Der von der Wildforschungsstelle erstellte ausführliche “Leitfaden Schwarzwildfang“ (in Vorbereitung) enthält praktische Empfehlungen für die Umsetzung der Managementmethode, Anforderungen an Einsatzgebiete, technische und praktische Möglichkeiten zur Umsetzung, Hinweise für eine tierschutzkonforme Handhabung sowie Anforderungen an das dafür notwendige Fallenpersonal.

Für die Überprüfung der Effektivität möglicher Auslösesysteme, notwendiger Personal- und Materialressourcen, Optimierung von Fangabläufen, Personaleignung und tierschutzkonforme Handhabungen wurden verschiedenste Fallentypen erprobt. Für die Umsetzung dieser Zielsetzungen erfolgten projektbezogen für einzelne Fragestellungen auch temporäre Zusammenarbeiten mit Forst BW, der Hochschule Rottenburg und dem Stadtforstamt Baden-Baden.



Die Überwachung der Fallensysteme wurde im Rahmen der sehr schnell voranschreitenden technischen Weiterentwicklungen im besagten Zeitraum sehr vielfältig. Die unterschiedlichsten Überwachungssysteme dienten dazu, die Sicherheit im Umfeld der Fallen zu gewährleisten und das Verhalten der Tiere und weitere Einschätzungen im Nachgang der Fänge zu beurteilen.



Abbildung 1: Beispiele von im Projekt eingesetzten und überprüften Fangsystemen.


Rechtliche Grundlagen

Europäische Rechtsgrundlagen enthalten Regelungen und Standards zu Tierschutz/-wohl sowie Tiergesundheit. Den Rechtsrahmen bildet die „Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und Rates vom 09.03.2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrecht“)“ und die sie ergänzenden delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte der EU-Kommission. Ergänzt wird sie durch weitere Verordnungen.

Bundesgesetze, Verordnungen und Vorschriften, die im Zusammenhang mit Schwarzwildfang zu berücksichtigen sind, sind u.a. das

  • Bundesjagdgesetz (BJagdG),
  • Tierschutzgesetz (TierSchG),
  • Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz – TierGesG),
  • Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG),
  • die Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen (TierSeuchAnzV),
  • Verordnung zum Schutz gegen die Schweinepest und die Afrikanische Schweinepest (Schweinepest-Verordnung),

Das BJagdG bestimmt „Verboten ist,… 7. Saufänge, Fang- oder Fallgruben ohne Genehmigung der zuständigen Behörde anzulegen; …, 9. Fanggeräte, die nicht unversehrt fangen oder nicht sofort töten, sowie Selbstschussgeräte zu verwenden;“. § 19 Abs. 2 BJagdG regelt: „Die Länder können die Vorschriften des Absatzes 1 mit Ausnahme der Nummer 16 erweitern oder aus besonderen Gründen einschränken; …“. Dies ist die Ermächtigungsgrundlage für jeweils eigene spezifische Regelungen der Bundesländer.

Baden-Württemberg hat mit dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) ein Vollgesetz mit ausschließlicher Geltung. Im Rahmen der Regelung des § 31 Abs. 1 Nr. 11 JWMG ist die Anlage von Saufängen, Fang- oder Fallgruben im Rahmen der Jagdausübung verboten: „(1) Verboten ist im Rahmen der Jagdausübung, … Nr. 11 Saufänge, Fang- und Fallgruben anzulegen, …“ Im Gegensatz zur bundesrechtlichen Regelung des § 19 Abs. 1 Nr. 7 BJagdG enthält diese Regelung keinen direkten behördlichen Erlaubnisvorbehalt. Die Oberste Jagdbehörde (MLR BW) wird ermächtigt, die Verbote des Absatzes 1 durch Rechtsverordnung zu erweitern oder einzuschränken, soweit dies aus besonderen normierten Gründen erforderlich ist (§ 31 Abs. 3 JWMG). Es obliegt der Einzelfallprüfung durch die Oberste Jagdbehörde, entsprechende Anordnungen zu verfügen.

Einsatzvoraussetzung

Langjährige Erfahrungen zeigen, dass der Schwarzwildfang als eine Ergänzungsmethode des Wildtiermanagements für ein begrenztes Einsatzfeld geeignet ist. Der Schwarzwildfang sollte als ultima ratio des Managements dieser Wildart, die letzte Option für Ausnahmefälle, darstellen und bietet dennoch eine probate Handlungsoption in spezifischen Situationen. Er soll auf Grund seiner Spezifizität und der hohen Anforderungen an den Betrieb keinesfalls als „normal gebräuchliches oder übliches“ jagdliches Instrument angesehen werden. Der Schwarzwildfang kann temporär zur effektiven Seuchenbekämpfung oder bei einer Begrenzung der Bestandsentwicklung in Regionen mit erheblichen jagdlichen Einschränkungen dienen. Außerhalb der ASP-Bekämpfung sollte der Schwarzwildfang wie bereits im JWMG verankert (Einzelfallprüfung und Genehmigung durch die oberste Jagdbehörde) mit „Maß und Verstand“ eingesetzt werden, wo andere jagdliche Mittel nicht eingesetzt werden können oder andere Gründe den Einsatz von Schwarzwildfängen erfordern. Daher gilt es immer, durch eine Interessensabwägung die Belange des Tierwohls mit denen der Seuchenbekämpfung und ggf. -prävention miteinander abzuwägen. Weitergehende Einsatzmöglichkeiten zur reinen Bestandsreduktion sollten als „letztes Mittel der Wahl“ auf das Minimum reduziert sein. Sobald entsprechende Einsatzgebiete geklärt wurden, müssen geeignete Flächen mit einer entsprechenden Bestandsdichte und Frequentierung durch das Schwarzwild vorhanden sein, da die Effektivität dieser Methode proportional zur Abnahme der Schwarzwilddichte deutlich zurückgeht. Es sollte den regional Beteiligten bewusst sein, dass für den Einsatz von Schwarzwildfängen, neben einer geeigneten Gebietskulisse, auch temporäre jagdliche Einschränkungen im Umfeld der Fänge notwendig werden. Ohne Jagdruhebereiche – für alle Arten - im Umfeld der Schwarzwildfänge, ist die Effektivität von Schwarzwildfängen stark herabgesetzt.

Mögliche Einsatzgebiete

Der Schwarzwildfang wird als ein Werkzeug im Managementbereich der Wildart angesehen, welches vorrangig für folgende Situationen in Baden-Württemberg vorgesehen werden kann:

  1. im akuten ASP-Seuchenfall zur erforderlichen Reduzierung des lokalen Schwarzwildbestandes (Einsatz vornehmlich in der Sperrzonen II und I),
  2. wenn keine bzw. nur eingeschränkte Bejagungsmöglichkeiten vorliegen (wie z. B. große Schutzgebiete mit starken jagdlichen Einschränkungen, befriedete Bezirke im urbanen Bereich, Gebiete mit extrem hohen Schwarzwilddichten und erheblichen jagdlichen Einschränkungen).

Die Einschätzung, ob situationsabhängige Gegebenheiten vorliegen und die Festlegung der Rahmenbedingungen für den Einsatz von Schwarzwildfängen, obliegt der Einzelfallprüfung durch die oberste Jagdbehörde, damit entsprechende Anordnungen durch sie verfügt werden können.

Einbindung ins jagdliche Management

Der Schwarzwildfang sollte als Ergänzungsmethode des Wildtiermanagements angesehen werden. Der revierweise Einsatz von Fängen lässt sich effektiv gestalten, wenn durch die umliegenden Reviere die Methode mitgetragen und akzeptiert wird.

Um erfolgreich Schwarzwildfänge einzusetzen, ist es in den priorisierten Fangzeiträumen im Umfeld der Fallenstandorte jedoch notwendig, dass keine Jagdausübung durchgeführt wird (

Eine weitere Voraussetzung ist, dass im weiteren Umfeld kein Kirrungsbetrieb (

Einsatzzeiträume

Für einen effektiven Einsatz dieser Methode sollten verschiedene Voraussetzungen gegeben sein. Dazu ge­hören vom Menschen nicht beeinflussbare und menschlich beeinflussbare Faktoren. Zu den natürlichen Voraussetzungen gehören zum einen eine erhebliche natürliche Nahrungsverknappung im Jahresverlauf und zum anderen Phasen mit einem überdurchschnittlichen Energiebedarf der Tiere. Da durch klimatische Ver­änderungen in der jüngeren Vergangenheit lange Frost- und Schneephasen häufig ausbleiben, stehen dem Schwarzwild selbst in der vegetationsfreien Phase ausreichend natürliche Nahrungsressourcen zur Verfü­gung. Zu einer Nahrungsverknappung kommt es in der Regel nur noch partiell regional, was das Schwarzwild häufig mit einer Verlagerung der Raumnutzung quittiert. In Jahren mit witterungsbedingten Nahrungsengpäs­sen dürfte sich der Schwarzwildfang ähnlich wie die Kirrung effektiver gestalten lassen. Der prioritäre Fang­zeitraum wird aus diesem Grund in der Aufzuchtphase der Frischlinge gesehen. Entsprechend dem ganz­jährigen Reproduktionsvermögen können sich Fangzeiträume im ganzen Kalenderjahr ergeben. Die Haupt­aufzuchtphase mit den umfangreichsten Fangerfolgen lag zwischen März und August. Ein Fangzeitfenster ergibt sich bei Wildschweinen ab dem Alter von zwei bis drei Monaten. In dem Alter beginnt für die Frischlinge mit immer längeren säugefreien Zeiträumen die Entwöhnung, bei einem zeitgleich wachstumsbedingten enor­men Energiebedarf. Zudem haben die Bachen durch den Hauptlaktationszeitraum und die damit verbundenen Gewichtsverluste einen erheblichen energetischen Nachholbedarf. Diese Phase ermöglicht umfangreiche Fangergebnisse. Die gerade ab der Milchreife des Mais enormen quantitativ wie qualitativ zur Verfügung stehenden Nahrungsressourcen sorgen für ein sich schnell schließendes Fangzeitfenster.

Zu den menschlich beeinflussbaren Faktoren gehören in den effektiven Fangzeiträumen ein großflächiges Kirrverbot und eine Minimierung bzw. temporäre Einschränkung der Jagd im weiteren Umfeld der Fallenstandorte. Nur bei einem großflächigen Jagdmanagement mit entsprechenden Flächenzugriffen und der Einhaltung weiterer, bereits genannter Faktoren ist ein effektiver Einsatz von Schwarzwildfängen möglich.

Um aussagekräftigere Ergebnisse bezüglich Fangzeiträumen und –erfolgen wiederspiegeln zu können, wurden zur Verfügung gestellte Fangergebnisse aus verschiedenen anderen Projekten in Rheinland-Pfalz (SW-Projekt Großfanganlagen), Thüringen (NP-Hainich), Sachsen (Ergebnisse ASP-Bekämpfung) und Baden-Württemberg (HSR und BB) in die Auswertungen mit einbezogen. Somit wurden für die Auswertung von Fangzeiträumen und -erfolgen 279 Fänge mit insgesamt 1.611 gefangenen Tieren herangezogen.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Schwarzwildfang während des ganzen Jahres möglich ist (Abbildung 2). Die häufigsten Fangereignisse wurden jedoch in Abhängigkeit der Bestandsdichte zwischen Dezember und August registriert. Die Monate, welche sich auf Grund der Anzahl der gefangenen Tiere als effektiv herausstellten, lagen zwischen März und August (Abbildung 2). Beim prozentualen Vergleich der Übersicht aller gefangenen Tiere mit der Jagdstreckenverteilung (monatsweise) in Baden-Württemberg (Abbildung 3) wird deutlich, dass sich mit den herkömmlichen Jagdmethoden die Spätherbst- und Wintermonate am erfolgreichsten gestalten lassen. Durch die intensivierte Jagd unter Berücksichtigung aller Jagdmethoden im Winterzeitraum und des damit verbundenen nicht unerheblichen Jagddruckes kann der Schwarzwildfang in dieser Zeit häufig nicht effektiv gestaltet werden. Um den Schwarzwildfang in diesem Zeitraum effektiv gestalten zu können, müsste ein weitreichendes Jagdmanagement mit großflächigen Jagdruhezonen vorhanden sein. Aus diesem Grund werden Einsatzgebiete für den Schwarzwildfang aus Sicht der Wildforschungsstelle in erster Line im ASP-Fall in der Sperrzone II mit jagdlichen und sonstigen Nutzungseinschränkungen und in Schutzgebieten mit jagdlichen Einschränkungen gesehen.

Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist die gerade in der jüngeren Vergangenheit durch klimatische Veränderungen bedingte, wesentlich höhere Nahrungsverfügbarkeit im Winterzeitraum. Dabei kommen neben häufigeren und umfangreicheren Mastereignissen bei Buche und Eiche die geringer werdenden Frost- und Schneeereignisse hinzu, wodurch Schwarzwild die natürlichen Nahrungsressourcen des Oberbodens im Wald und Feld vermehrt nutzt. So konnte eine zunehmende Entwicklungstendenz bei der Wildschadensentwicklung im Grünland gerade in wärmeren Phasen der Wintermonate festgestellt werden (Bauch et al. 2022,2024). Beim Einsatz von Schwarzwildfängen ist bei Beachtung der Schwarzwilddichte und verfügbaren Nahrungsressourcen davon auszugehen, dass unter der Voraussetzung großflächiger jagdlicher Einschränkungen in entsprechenden Rückzugsgebieten des Schwarzwildes auch im Winter umfangreichere Fangergebnisse erzielt werden können. Dies wäre insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Seuchenbekämpfung (ASP) zu beachten. Im Rahmen einer ASP-Bekämpfung, mit einer angestrebten schnellen Abschöpfung des Schwarzwildbestandes, vor dem Hintergrund der Vermeidung von Versprengungen, würde sich ein Einsatz in den Herbst- und Wintermonaten eignen. Bei der Betrachtung vorrangiger Einsatzgebiete des Schwarzwildfanges außerhalb einer möglichen Seuchenbekämpfung ist es notwendig, eine Regulation der übrigen Schalenwildarten zu berücksichtigen, welche zu einem erheblichen Anteil gerade in den Herbst- und frühen Wintermonaten erfolgt.



Abbildung 2:  Vergleich der Anzahl von Fangereignissen (n=279) und Anzahl von gefangenen Tieren (n= 1.611) über den Jahresverlauf.




Abbildung 3:  Prozentuale Verteilung pro Monat von gefangenen Tieren beim Schwarzwild aus verschiedenen Projektgebieten Deutschlands (n= 1.611) und monatliche Jagdstrecke nach Trichinenuntersuchungen in % von 2018 - 2019 (n= 57.457) in Baden-Württemberg.


Die großen Stärken des Schwarzwildfanges liegen in der Reduktion während der Jungenaufzuchtphase beim Schwarzwild. Bei Betrachtung der monatlichen prozentualen Verteilung der Jagdstrecke und des Fallenfangs (Abbildung 3) wird deutlich, dass herkömmliche Jagdmethoden, gerade in der Phase zwischen Februar und Juli zu Recht auf Grund des Muttertierschutzes und der zunehmenden Deckung im Feld und Wald, weniger effektiv sind. Der enorme Energiebedarf der Bachen und der sehr schnell wachsenden Frischlinge in diesem Zeitraum führen bei einem zum Teil noch eingeschränkten Nahrungsangebot im Frühjahr und einem häufig geringeren Jagddruck zu sehr guten Voraussetzungen für den Schwarzwildfang. Einschätzungen der Wildforschungsstelle bei Fangergebnissen im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte haben gezeigt, dass laktierende Bachen in den ersten Wochen nach dem Frischen durchaus zwischen 20 % – 25 % an Körpergewicht verlieren können. Diese körperlichen Defizite spiegeln den enormen Energiebedarf dieser laktierenden Tiere gut wieder. Um dem tierschutzrechtlichen Anforderungen bezüglich des Muttertierschutzes gerecht zu werden, muss daher gewährleistet sein, dass neben einem möglichen Fang des Muttertieres auf jeden Fall gleichzeitig alle Frischlinge mitgefangen werden. Die langjährigen Erfahrungen und Beobachtungen der Wildforschungsstelle haben gezeigt, dass in den ersten vier bis fünf Lebenswochen auf Grund der nahezu ausschließlichen Säugung der Frischlinge, diese den Bachen nur teilweise an die Nahrungsquellen folgen und dabei häufig nur eine spielerische Nahrungsaufnahme erfolgt. In diesem Zeitraum betreten die Bachen in der Regel als erste Tiere die Fanganlagen. In den darauffolgenden Wochen wird durch wesentlich größer werdende Säugezeiträume bei einem durch die schnelle Wachstumsphase bedingten enormen Energiebedarf der Frischlinge die Nahrungsaufnahme sehr stark forciert. Mit einem Lebensalter von 8 – 10 Wochen ist die Aufnahme fester Nahrung durch die Frischlinge soweit etabliert, dass in der Regel alle Frischlinge die Fanganlagen vor den Bachen betreten. Dann ist ein Fang der gesamten Rotte möglich. Selbst dann, wenn es nicht gelingt, die Bachen mit zu fangen, können immerhin alle Frischlinge abgeschöpft werden.

Fallentypen

Die langjährigen Erfahrungen der Wildforschungsstelle zeigen, dass in Abhängigkeit der Gewöhnungsphase, Schwarzwild mit allen Fallentypen gefangen werden kann (Abbildung 4). In Baden-Württemberg besteht bereits seit 2012 auf Grund der hohen Verletzungsgefahr der Tiere, die Einschränkung, dass bei der Verwendung von Fallen blickoffene feste Materialien (Draht-, Baustahlmatten und ähnlichen Materialien) nicht verwendet werden dürfen, wenn diese nicht vollständig mit Holz o. ä. bis in eine Höhe von 1,6 m verkleidet wurden. Auf Grund der Versuchserfahrungen in Zusammenarbeit mit der Hochschule Rottenburg wurde das Fangsystem “Lotin®“ ebenfalls als bedenklich eingestuft. Die Empfehlung der Wildforschungsstelle ist dahingehend, dass dieses Fallensystem – wenn überhaupt – nur im ASP-Fall und nur im urbanen Raum unter hohen Auflagen und strengen zeitnahen Kontrollen zum Einsatz kommen kann. Die Einsatzgebiete der modulbauweisen Fallen werden als Ergänzung ebenfalls in erster Line bei einem ASP-Fall gesehen, bei dem viele Fallen in bestimmten Restriktionszonen eingesetzt und ohne tierschutzrechtliche Bedenken am Folgetag personalschonender beräumt werden können. Zudem hat sich die Verwendung eines mobilen Abfangkastens zum Transport der Tiere zu einem, den seuchenhygienischen Ansprüchen entsprechenden Tötungs- und Entsorgungsort als sinnvoll und praktikabel erwiesen (Bauch et al. 2020).

 



Abbildung 4: Schwarzwildfänge mit unterschiedlichen Fangsystemen in Baden-Württemberg.


Als effektivste Fallensysteme, welche unter entsprechenden Voraussetzungen zur Anwendung kommen können, sind größere Fangkorale und der Netzfang (Pig Brig®). Der Einsatz dieser Fangsysteme hat sich bei hohen, wie auch geringeren Schwarzwildbeständen in bestimmten Einsatzzeiträumen am besten bewährt. Diese beiden Fallenarten werden sowohl für den Seuchenfall, als auch unter seuchenfreien Bedingungen als am besten geeignet angesehen. Fangkorale sollten auf Grund des notwendigen hohen Material- und Ressourcenbedarfs jedoch nur in großflächigen Einsatzgebieten zur Anwendung kommen. Bei allen festen Fallentypen sollte zudem eine Abfangkiste aus Holz mit Fixierungsmöglichkeiten der Tiere verwendet werden. Mit der durch die Wildforschungsstelle konzipierten, weiterentwickelten sowie mit Projektpartnern gebauten Abfangkiste (Forst BW, HSR) ist es möglich, Einzeltiere sowie ganze Rotten mit bis zu ca. 30 Tieren weitgehend zu fixieren und töten (Abbildung 5).



Abbildung 5: Hängerbasierte und händisch transportable Abfangkisten für die Fixierung und Erlegung von Einzeltieren und Rotten beim Fang mit Fallen aus festen Baumaterialien. Auf den ersten Bildern ist gut der Schieber zum Fixieren der Wildschweine erkennbar.


Auswertungen von Fangergebnissen zeigen, dass die umfangreichsten Fangereignisse mit Großfanganlagen (Fangkorale) mit durchschnittlichen Fangzahlen von 7,3 Tieren erreicht wurden (Abbildung 6). Dabei flossen sowohl Fänge mit Hand- wie Selbstauslösung in die Auswertungen ein.

Gemeinsame Auswertungen im Rahmen der ASP-Bekämpfung aus Sachsen und Brandenburg (Stand 28.11.2022), wo fast ausschließlich mit Handauslösungen gearbeitet wurde, zeigten, dass Durchschnittswerte von 10,9 Tieren mit ähnlichen großen Fangsystemen erreicht werden konnten (Vortrag zum aktuellen Stand der ASP-Bekämpfung – Fangjagdstrecke von Polaczek am 29. November 2022). Zudem ist festzuhalten, dass Brandenburg und Sachsen ausschließlich mit offenen Systemen (Baustahlmatten ohne jegliche Verblendung) arbeiteten, die in Baden-Württemberg auf Grund einer verpflichteten Verblendung eine geringfügig schlechtere Annahme zur Folge haben können. Durch die Erfahrungen der Wildforschungsstelle ist davon auszugehen, dass die Handauslösung der Hauptgrund für die durchschnittlich höheren Fangergebnisse bei den sächsisch-brandenburgischen Auswertungen ist, da im Rahmen von Beobachtungen bei Forschungsprojekten der Wildforschungsstelle bei Handauslösungen auch umfangreichere Fänge realisierbar waren. Die zweithöchsten Fangzahlen mit Ø 7,1 Tieren wurden mit Hilfe des Netzfanges (Pig Brig®) erreicht. Die von Polaczek angegebenen durchschnittlichen Werte lagen beim Netzfang bei Ø 6,1 Tieren. Es ist zu vermuten, dass die im Durchschnitt um ein Tier höhere Fangquote der Wildforschungsstelle durch längere Gewöhnungszeiten an den Netzfang zu erklären sind.

Während in Sachsen und Brandenburg im Rahmen der ASP-Bekämpfung ein wesentlich höherer Erfolgsdruck herrschte, war es der Wildforschungsstelle im Rahmen des Pilotversuches möglich, auch bei verschiedensten Fangbedingungen mit längeren Gewöhnungsphasen einen optimalen Zeitpunkt abzuwarten. Ein Vergleich der Fangerfolge zwischen freistehenden Netzaufhängungen und einer im Baumbestand integrierten Aufhängung ergab, dass nahezu identische Ergebnisse erzielt wurden. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass tendenziell mit längeren Gewöhnungsphasen bei freistehenden Systemen zu rechnen ist.

Mit Kleinfängen wurden sowohl bei den sächsisch-brandenburgischen Auswertungen (Stand 28.11.2022), als auch in den baden-württembergischen Auswertungen die geringsten durchschnittlichen Fangzahlen der Tiere mit jeweils 4,8 Tieren (Ø) erreicht. Die nahezu identischen Ergebnisse bei den Fangerfolgen mittels Kleinfängen resultieren zum einen daraus, dass auch ein Teil der sächsischen Fänge in die Auswertungen mit einflossen. Zum anderen deuten Ergebnisse bei den Fangerfolgen mittels Kleinfänge auch darauf hin, dass mit diesen nur eine sehr begrenzte Anzahl, häufig der juvenileren Tiere, gefangen werden kann und die Unterschiede zwischen Hand- und Selbstauslösung im Gegensatz zu Großfanganlagen keinen so entscheidenden Faktor darstellen.



Abbildung 6:  Die Auswertung für die durchschnittlichen Fangergebnisse der einzelnen Fallentypen enthält 73 Fänge in Großfanganlagen mit 530 Tieren, 163 Kleinfänge mit 777 Tieren und 40 Netzfänge (Pig Brig®) mit 283 Tieren. Die drei Lotin®-Fänge mit 21 Tieren wurden auf Grund des nicht repräsentativen Umfangs in der Abbildung nicht berücksichtigt.


Verhalten von Schwarzwild beim Fang mittels Ethogramme

Das Verhalten von Tieren kann als deren individuelle Reaktion auf bestimmte äußere Reize hin umschrieben werden. Bereits 1934 formulierte Hediger das Konzept der Fluchtdistanz, bei deren Unterschreitung ein Individuum zur Fluchtreaktion neigt (Altmann 1958). Im engen Bezug dazu steht die Aggressionsdistanz, bei deren Unterschreitung ein Tier ohne Fluchtmöglichkeit zum Angriffsverhalten wechselt. Fehlt eine Bedrohungsempfindung zeigen die Tiere häufig Verhaltensweisen, die vornehmlich der Orientierung, der sozialen Interaktion oder dem individuellen Komfort dienen. Wird durch die Tiere eine Bedrohung empfunden und kann durch zum Beispiel Gefangenschaft nicht adäquat aufgelöst werden, zeigen sie häufig ein sogenanntes Übersprungverhalten (Tinbergen 1940); hierzu zählen Verhaltensweisen wie Brechen oder Wühlen ohne Futteraufnahme, nicht zielgerichtetes Hin- und Herlaufen, Beißen in Gegenstände und ähnliche Handlungen. Übersprungverhalten wird häufig mit extremen Stresssituationen in Verbindung gebracht.

Ein wesentliches Ziel des Pilotprojektes war eine tierschutzrechtliche Bewertung des Verhaltens vom Schwarzwild im Falle eines Fangereignisses. Dabei sollte dokumentiert und bewertet werden:

  1. Verhalten im Fang nach der Auslösung bis zur Entnahme
  2. Verhalten während der Erlegung
  3. Auswertung physiologischer Stressparameter (Cortisol).

Als Teil des Schwarzwildfangprojektes zwischen 2018 und 2024 hat die Wildforschungsstelle in temporärer Zusammenarbeit mit der Hochschule Rottenburg drei verschiedene Fallen/Fangtypen getestet: Holzfanganlagen, Lotin® und Netzfang Pig Brig®. Für die Auswertungen des Schwarzwildverhaltens wurden alle in diesem Zeitraum gemachten Erfahrungen aus dokumentierten Fängen mit einbezogen.

Um das Verhalten im Fang (Zeitraum Auslösung bis Annahme Abfangkasten bzw. Zeitpunkt Ankunft Fangteam beim Netzfang) auszuwerten, wurde jedes hierzu gefertigte Video, soweit möglich, mindestens einer Verhaltenskategorie zugeordnet. Die Verhaltenskategorien wurden während des Projektes auf neue Verhaltensweisen des gefangenen Schwarzwildes hin angepasst und ergänzt, wenn diese erstmalig beobachtet werden konnten.

Als Grundlage für die Kategorisierung wurde eine Untersuchung vom Verhalten von Wildschweinen aus einem Schwarzwildgatter herangezogen (Erler 2010) und entsprechend ergänzt (z. B. Untersuchung von Camerlink & Ursinus 2020 zur Schwanzstellung bei Schweinen).

Die beobachteten Verhaltensweisen wurden in folgende Verhaltenskategorien geordnet:

Fluchtverhalten

  • Laufen (Galopp)
  • Sprung (einhergehend mit ständigem Laufen)
  • Nackenhaare aufgestellt, Schwanz hoch aufgestellt

Stressverhalten

  • Beißen, z. B. der Umzäunung
  • Brechen/wühlen (ohne Futteraufnahme; sh. Beuerle (1975))
  • Schwanz waagerecht
  • Traben (hin- und her)

Orientierungs-/ Sicherheitsverhalten

  • Langsame Annäherung an Umzäunung/Tor
  • Sprung (ansonsten ruhiges Verhalten)
  • Ruhiges Zusammenstehen von Rottenmitgliedern mit aufmerksamem Verhalten (umschauen, lauschen)
  • Gehen, Stehen
  • Rückwärtsgehen (Meideverhalten)
  • Nackenhaare angelegt, Schwanz gesenkt
    • Seitliches Aufsteigen auf ein anderes Tier

Ruheverhalten

  • Schlafen (liegend)
  • Ruhiges Zusammenstehen von Rottenmitgliedern ohne offensichtliches Umschauen oder Lauschen
  • Nackenhaare angelegt, Schwanz gesenkt

Komfortverhalten

  • Futteraufnahme
  • Weitere Interaktionen zwischen Rottenmitgliedern

 

Im Projektzeitraum 2018-2024 wurden insgesamt 26 Fänge durchgeführt. Davon entfallen 16 auf die Holzfänge, 3 auf die Lotin®-Falle (durchgeführt ausschließlich über die HS Rottenburg, LK Calw) und 7 auf den Netzfang (ausschließlich WFS). Das Verhalten konnte bei insgesamt 20 von 26 Fängen weitgehend vollständig dokumentiert werden.

Holzfang und Abfangkiste:

Das Fangen von Wildtieren stellt durch den Entzug der Fluchtmöglichkeit zu jeder Zeit eine Stresssituation für die Tiere dar, sobald ihnen dieser Umstand bewusst wird. Beim Holzfang und Lotin® Falle erfolgt dies bereits mit der Auslösung der Falle (Dauer der Fluchtreaktion bis ca. 1 Minute).

Nach der Fluchtreaktion folgt eine etwas längere Phase von ca. 2 – 4 Minuten, in denen die Wildschweine ihre Umgebung mustern und nach einem Ausweg suchen. Anschließend erfolgt überwiegend wieder die Nahrungsaufnahme. Nach längerer Nahrungsaufnahme stellen sich Ruhe- und Schlafphasen ein. Die Schlaf-/Ruhephase endet häufig mit dem Sonnenaufgang.

Einzelne Individuen (meist ältere Tiere) zeigen immer wieder ein Orientierungsverhalten und gehen die äußere Umrandung der Falle ab, während die weiteren Rottenmitglieder sich zusammenlegen, ruhen oder fressen. Bei Annährung an die Falle durch Menschen oder Fahrzeuge erhöht sich die Aufmerksamkeit der Tiere merklich, jedoch bleiben Flucht, Drohgebärden und Scheinangriffe ohne direkte Sicht auf Menschen aus. Erst wenn Menschen für die gefangenen Tiere sichtbar werden oder das Tor zur Abfangkiste hin geöffnet wird, löst dies erneute Fluchtverhalten oder Scheinangriffe aus.

Die Tiere nehmen Fahrzeuge bereits über größere Distanzen wahr. Sie können bei zuvor gemachten Erfahrungen auch scheinbar einzelne Fahrzeugtypen und sogar Autos unterscheiden. So werden Traktoren (Schlepper) in der Regel nicht als Bedrohung wahrgenommen. Aber auch bei PKW können die Tiere anscheinend Unterschiede feststellen, wenn mit diesen Erfahrungen aus jagdlichen “Aktivitäten“ verbunden werden. So konnte bei einem Schlepperausfall, der zum Einsatz kommende Pick-ups eines dort Jagenden führte dazu, dass ein wesentlich unruhigeres Verhalten der zwei subadulten Überläufer festgestellt wurde. Diese beiden Tiere waren nach Aufbau der Abfangkiste die einzigen, die trotz Beunruhigung während der Projektlaufzeit die Abfangkiste nicht annahmen und in der Falle erlegt werden mussten. Die Tötung von 1 – 2 Tieren in den Vollholzfallen stellten im Rahmen des Projektes keine Probleme da.

Der Einsatz der Abfangkiste konnte bei 12 Fängen nachvollziehbar dokumentiert werden, dabei wurden im Projekt zwei Modelle eingesetzt:

            1. auf Anhänger montierte Abfangkiste mit Rampe und

2. auf dem Boden stehende Abfangkiste.

Bei den Netzfängen wurde prinzipiell keine Abfangkiste eingesetzt und in einigen Ausnahmenfällen wurde bewusst auf den Einsatz der Abfangkiste verzichtet (z. B. Einzeltier oder einmal aufgrund einer verweigerten Annahme). Im Durchschnitt wurde die Kiste innerhalb von 3,8 Minuten angenommen, wobei überwiegend die Annahme mit einigen Ausnahmen in 1 – 3 Minuten erfolgte.

Die Aufenthaltsdauer in den Holzfängen betrug zwischen 2:06 bis 10:54 Stunden, abhängig vom Zeitpunkt der Fallenauslösung durch die Wildschweine (Ø 06:44 Stunden). Bedenkliche Verhaltensweisen (Stress- und Fluchtverhalten) wurden dabei nur in sehr kurzen Zeiträumen nach der Auslösung und direkt kurz vor dem Tötungsvorgang festgestellt.


Abbildung 7:  Beispielethogramm eines Fanges von 7 Stück Schwarzwild (2 Überläufer, 5 Frischlinge) in einer Holzfanganlage bei einer Aufenthaltsdauer von 10:54 Stunden. Die Fallenauslösung durch die Wildschweine selbst und Annährung durch Menschen sind die beiden Zeitpunkte, in denen Fluchtverhalten gezeigt wird. In der übrigen Zeit ist neben Orientierungsverhalten, vor allem auch Komfort- und Ruheverhalten zu beobachten.


Netzfang

Die Netzfänge (Pig Brig®) kamen erst gegen Ende des Projektes aus den USA nach Deutschland und wurden damit ab 2022 mit getestet. Da nicht die Fanganzahl, sondern der Test von unterschiedlichen Bedingungen im Vordergrund des Fangs mit Netzen stand, wurden von 2022 bis 2024 7 Fänge mit dem Netzfang (2 Pig Brig®-Systeme) durchgeführt. In den Überlegungen zur Handhabung spielte auch die Entfernung zum Aufenthaltsort eine entscheidende Rolle. Es wurden drei Entfernungen getestet. Diese betrugen 10 km, 30 km und 120 km. Die damit verbundenen Anfahrtszeiten betrugen im Durchschnitt 10 Minuten, 30 Minuten und 160 Minuten.

Beim Netzfang findet im Vergleich zum Holzfang keine Auslösung statt und so wird erst mit dem Versuch, den Fallenbereich zu verlassen durch einzelne Rottenmitglieder bemerkt, dass ein Verlassen nicht mehr möglich ist. Ohne direkte weitere Bedrohungssituation wird jedoch das Orientierungsverhalten beibehalten, bzw. sich wieder der Futterquelle zugewendet.

Durch das Reusenprinzip können zudem jederzeit weitere Individuen hinzukommen. Es zeigte sich jedoch, dass die meisten Tiere dasselbe Annahmezeitfenster nutzten. Nachzügler waren zumeist sehr juvenile Tiere. Ältere Tiere wechselten, wenn nicht unmittelbar zu Beginn, erst gar nicht ein. Dadurch war es auch mit dem Netzfang nicht möglich, adulte Tiere (> 24 Monate) zu fangen. Es gab vier Fänge, bei denen z. B. die Bache(n) nicht mit den Frischlingen in den Fang (Pig Brig®) gegangen sind. In diesen Fällen wurden Verhaltensunterschiede der Frischlinge in Abhängigkeit vom Alter festgestellt. Während die jüngsten Frischlinge (ca. 1 Monat) scheinbar auf Grund des Fehlens fast jeglicher Erfahrungen bzw. Bewusstseins für die Gefahren des Gefangenwerdens gar nicht oder nur teilweise realisierten, reagierten ältere Frischlinge (ca. 4 und 6 Monate) in den Fängen wesentlich stärker und “gefahrenbewusster“ auf Lautäußerungen der Muttertiere.

Beim Fang von Frischlingen einer einzelnen, nicht mitgefangenen Bache, kam es durch den „Rückruf“ der Bache zu längeren Fluchtbestrebungen unter den gefangenen Frischlingen. Beim einem weiteren Fang (19 Tiere) wurden nachweislich zwei Bachen nicht mitgefangen, was zu einem wesentlich unruhigeren Verhalten der übrigen Tiere im Netz führte. Wenn, wie in diesem Fall ältere Tiere mitgefangen werden, orientierten und beruhigten sich die Frischlinge jedoch wesentlich schneller.

Ansonsten ist, wie bei den anderen Fängen auch, vor allem die sichtbare Annährung des Menschen ein direkter Stressauslöser, welcher zu Fluchtreaktionen der gefangenen Tiere führt. Da beim Netzfang im Gegensatz zum Holzfang kein Blickschutz zwischen Tier und Mensch besteht, setzt hier das Fluchtverhalten wesentlich früher ein.

Der Netzfang erfordert durch seine Konstruktion ein etwas anderes Vorgehen für die Entnahme, als bei den anderen Fallentypen mit festem Baumaterialien. Durch den verhältnismäßig fragilen Aufbau der Netzfänge ist es notwendig, dass das Entnahmeteam zeitnah nach dem Fang an die Falle kommt und die Tiere entnimmt. Der Netzfang gerade im Baumbestand ist nicht darauf ausgelegt, für eine unbegrenzte Zeit Fluchtversuche standzuhalten. Durch z. B. Hochsteigen von adulten, schweren Wildschweinen im Netz, kommt es bei der Befestigung im Baumbestand dazu, dass sich mit der Zeit die Spanngurte lockern, welche das Netz hochhalten, wodurch Tiere über das Netz hinweg entkommen könnten. Die Entnahme erfolgt also nicht mit dem Morgengrauen, sondern „so schnell wie möglich“ noch in der Nacht und ohne Abfangkiste. Anders als in anderen offenen Fangsystemen (Drahtgitter, Baustahlmatten etc.) aus festen Materialien, ist durch die nachgebenden Netze jedoch eine wesentlich geringere Verletzungsgefahr gegeben.

Die Aufenthaltsdauer der gefangenen Tiere war damit stark vom Anfahrtsweg des Fangteams beeinflusst und betrugen zwischen 30 Minuten bis zu 5 Stunden.

Zudem zeigte sich, dass auch in Abhängigkeit der praktischen Erfahrungen mit diesem System Abläufe so optimiert werden konnten, dass das “Stresszeitfenster“ der Tiere bei menschlicher Annäherung und der Tötung wesentlich kürzer gestaltet werden konnte.



Abbildung 8:  Beispielethogramm eines Netzfanges mit sechs Frischlingen und einem Netzaufenthalt von 50 Minuten. Da beim Betreten der Fallen keine Auslösung erfolgt (Reusenprinzip), wird zum Beginn im Vergleich zu den Holzfängen kein Stressverhalten beobachtet. Dieses wird erst durch die Annäherung von Menschen ausgelöst.


Lotin®-Falle

Es haben insgesamt drei Fänge mit dem Fangsystem Lotin® stattgefunden (insgesamt 21 Wildschweine). Entsprechend der Herstellerangaben sowie von Berichten aus anderen Bundesländern, welche das Fallensystem Lotin® frühzeitig zur ASP-Bekämpfung eingesetzt haben, wurde der erste Fang in der Lotin® direkt in der Falle erlegt. Jedoch wies dieses Vorgehen deutliche tierschutzbedenkliche Aspekte auf, da die gefangenen Wildschweine nicht nur bei Annährung durch den Menschen Fluchtreaktionen zeigten, sondern auch generell unruhiger im Verhalten waren. Darüber hinaus sind lediglich an vier ganz spezifischen Stellen der Falle Schussmöglichkeiten gegeben. Gerade beim Fang mehrerer Tiere entstehen dabei zumeist einige tote Winkel, bei denen der Schütze in der Falle keinen Schuss abgeben kann. Durch diese Faktoren hat die Erlegung innerhalb der Lotin®-Falle maximal 18 Minuten in Anspruch genommen. Basierend auf diesen Erfahrungen wurde die Auflage ausgesprochen, dass bei Einsatz der Lotin®-Falle im Weiteren die Entnahme nur über die Abfangkiste mit entsprechender Fixierungsmöglichkeit der Tiere erfolgen darf. Neben dieser Einschränkung wird die Lotin®-Falle von den Wildschweinen nicht nur mit mehr Zurückhaltung angenommen, als z. B. der sehr gut angenommene Netzfang, sondern birgt durch das schräg herabfallende Tor ein höheres Verletzungsrisiko für die Wildschweine. Hinzu kommt, dass die Beobachtungen der drei Fänge gezeigt haben, dass Wildschweine sich wesentlich unruhiger in der Falle verhielten, als im Vergleich dazu in Holzfängen oder Netzfang. Faktoren einer deutlich veränderten Innenakustik spielen vermutlich dabei genauso eine Rolle, wie die schlechte Luftzirkulation, was zu einer schnellen und gleichbleibend sehr hohen Innentemperatur führt. Aufgrund dieser Erfahrungen geht die Empfehlung ganz klar dahin, dass die Lotin®-Falle max. im Seuchenfall (urbaner Raum) eingesetzt werden sollte. Zusätzlich sollte eine händische Auslösung erfolgen, damit zum einen das Verletzungsrisiko minimiert und zum anderen sofort mit der Tötung mittels bereits aufgebauter Abfangkiste begonnen werden kann. Die gefangenen Tiere sollten so wenig Zeit wie möglich in der Falle verbringen müssen.

Allgemeine Zusammenfassung des beobachteten Verhaltens

Das Verhalten von Schwarzwild kann allgemein als sehr individuell und variabel beschrieben werden, was sich auch in so gut wie jedem der analysierten Fangereignisse bestätigte. Kein Fang war wie der andere und hat durch diverse Faktoren wie Rottengröße, Fang der gesamten Rotte oder eines einzelnen Tieres aus einem Rottenverband heraus, Altersstruktur der gefangenen Wildschweine sowie sonstigen äußeren Umständen zu einem sehr diversen Verhaltensbild geführt. Es lassen sich durchaus einige spezifische Situationen feststellen, die für die Wildschweine besonders Stressauslösend zu sein scheinen:

  • Fallenauslösung – was immer ein sofortiges Fluchtverhalten als Reaktion nach sich zieht
  • Vereinzelung eines Wildschweines aus einer Rotte heraus
  • Warnlaute durch Muttertiere an Jungtiere, wenn diese nicht mitgefangen werden konnten
  • Menschen im Fallenumfeld bzw. bei der Fallenannäherung, insbesondere, sobald kein Sichtschutz mehr zwischen Mensch und Wildschwein besteht, wird dies mit Flucht- und ggf. Scheinangriffen beantwortet
  • Präsenz von Prädatoren im Fallenumfeld – wird mit erhöhter Aufmerksamkeit quittiert (Bsp. Fuchs im Fallenumfeld)
  • Der Tötungsvorgang selber – wobei hier auf keinen Fall eine Vereinzelung der Tiere vorgenommen werden sollte!

Bei Fallenmodellen mit Tor, wie Holzfang und Lotin®, birgt der Zeitpunkt der Auslösung das stärkste Verletzungsrisiko für die Tiere, da sofort versucht wird, den vormaligen Eingang zur Flucht zu nutzen. Kurz nach der Auslösung beginnen die Wildschweine in den Holzfallen in der Regel wieder mit der Nahrungsaufnahme und sondieren gelegentlich immer wieder die Falle nach einem Ausgang. Oft erfolgt dies nur durch ein Individuum und nicht durch die gesamte Rotte. Ohne weitere Störungen fressen die Wildschweine meist weiter, bevor sich ein Ruhe- und manchmal sogar Schlafverhalten einstellt. Erst mit dem Morgengrauen beginnen die Wildscheine teilweise unruhig zu werden. Licht und Geräusche von Fahrzeugen und Menschen alarmieren die Wildschweine in der Regel recht früh. Erst das Sichtbarwerden von Menschen oder Veränderungen im Falleninnern sorgen für weitere Flucht- oder zum Teil Angriffsreaktionen.

Der Netzfang wird durch die Wildschweine weniger als Fremdkörper wahrgenommen, als andere Fallensysteme (Holzfänge, Lotin®). Dadurch können in kürzerer Zeit Fangerfolge erzielt werden. Durch das Reusensystem und die fehlende Auslösung verhalten sich die Tiere im Fang bis zur Annährung des Menschen überwiegend ruhig. Ausnahmen konnten nur im Fall von nicht mitgefangenen, adulten weiblichen Tieren (Warnlaute) festgestellt werden.

Ähnlich wie im Holzfang können zudem durch die Verteilung des Futters die Wildschweine in die Mitte des Fanges gelockt werden. Bei einem Fang wurde die Futtergabe sehr großzügig im Netzfang verteilt, z. T. bis an den Netzrand. In diesem Fall gab es zwei adulte Bachen, welche sich auf Grund der Vielzahl der Tiere nur teilweise unter das Netz geschoben hatten und von dort fressen konnten. Damit war es ihnen noch möglich, nach hinten gehend wieder aus dem Netzfang zu entkommen. Dementsprechend sollte darauf geachtet werden, dass Futter max. bis auf 1 m an den Netzrand herankommt und nicht näher. Nur so können auch erfahrenere und vorsichtigere Wildschweine in den Fang gelockt werden.

Stressbelastung des Schwarzwildes

Mit dem Begriff „Stress“ werden heutzutage alle äußeren Einflüsse auf ein Individuum zusammengefasst, die zu dessen Unbehagen oder Unwohlsein bzw. entsprechenden Verhaltensweisen führen. Koolhaas et al. (2011) schlugen vor, dass der Begriff „Stress“ für Bedingungen zu beschränken ist, die für das Individuum unkontrollierbar, unvorhersehbar sowie potentiell lebensgefährdend sind. Cortisol als klassisches Stresshormon (Morton et al. 1995) wurde von Mormède et al. (2007) als Standardparameter für Stress in der Forschung zum Tierwohl implementiert. Als Teil der Achse Limbisches System – Hypothalamus – Hypophyse – Nebenniere (Silbernagel & Despopoulos 2012, Forth et al. 1992) steigen 3 bis 5 Minuten nach dem Einsetzen eines vom Individuum als Stressauslösend empfundenen Reizes (Sheriff et al. 2011) die Cortisolkonzentration im Blut an und erreicht nach 15 bis 30 Minuten ihr Maximum (De Kloet et al. 2005). Durch einen selbsthemmenden Regelkreis fällt die Cortisolkonzentration im Blut nach 60 bis 90 Minuten wieder auf ihre ursprüngliche Konzentration ab, sofern das Stress-erzeugende Ereignis nur singulär war (Sheriff et al. 2011, De Kloet et al. 2005).

Um die Stressbelastungen der gefangenen Wildschweine in Hinblick auf das Tierwohl objektiv einschätzen zu können, wurden von insgesamt 251 Tieren 30 Minuten nach ihrem Tod 5 – 10 ml Blut (S-Monovette®, Sarstedt, Nümbrecht, Germany) entnommen. Diese Blutproben wurden gekühlt aufbewahrt und alsbald möglich im Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt Aulendorf zentrifugiert und bei -20°C bis zur Untersuchung gelagert (Serum). Die Cortisolbestimmung erfolgte 2023 an der Justus-Liebig-Universität Gießen in der Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische (Veterinärmedizinische Fakultät).

Die 251 Blutproben stammten von Wildschweinen für Vergleichszwecke aus verschiedenen Situationen:

  • Ansitz- oder Pirschjagd,
  • Drückjagden auf freilebendes Schwarzwild,
  • Drückjagd in einem sehr großen Schwarzwildgatter,
  • Holzkastenfallen,
  • Fallen der Marke Lotin® und
  • Netzfänge (Pig-Brig®).

Bis auf 11 Tiere, die auf Pirschjagden außerhalb Baden-Württembergs erlegt und beprobt wurden, wurden alle Proben von Wildschweinen in Baden-Württemberg gewonnen.

Von den 251 Tieren, die in der statistischen Analyse berücksichtigt wurden, waren 115 (48,1 %) weiblichen und 124 (51,9 %) Tiere männlichen Geschlechts. Ein möglicher Einfluss des Geschlechts hinsichtlich der normierten Cortisolkonzentration im Blut konnte statistisch mittels Varianzanalyse (ANOVA) nicht nachgewiesen werden.

Bei einer Betrachtung des Lebensalters der in dieser Studie beprobten Tiere ergaben sich deutliche Unterschiede zwischen dem Fallenfang und den anderen beiden Jagdformen. Hierzu wurden die Tiere in verschiedene Altersgruppen mittels ganzzahliger Rundung des Quotienten aus geschätztem Lebensalter in Monaten durch vier aufgeteilt: somit ergab sich Gruppe 1 – von Geburt bis zur Mitte des vierten Lebensmonats, Gruppe 2 – von Mitte des vierten Lebensmonats bis zur Mitte des siebten Lebensmonats, etc. Bei der Fallenjagd kamen deutlich jüngere Tiere zur Strecke als bei den anderen beiden Jagdformen Einzel- und Drückjagd (Abbildung 9). Ein signifikanter Einfluss des Lebensalters auf die Cortisolkonzentration wurde bei der Analyse der Daten mittels linear gemischten Modells mit in Betracht gezogen, konnte statistisch aber nicht nachgewiesen werden.



Abbildung 9:  Unterschiede der Altersgruppen bei den Jagdformen. Dargestellt sind der Median, die 10., 25., 75. und 90. Percentele sowie Daten außerhalb.


Die verschiedenen Jagdformen werden nicht kontinuierlich über ein Jagdjahr hinweg ausgeübt. Ein möglicher natürlicher jahreszeitlich bedingter Anstieg der Cortisolkonzentration im Blut (vgl. Güldenpfennig et al, 2021), etwa durch die Rauschzeit im Spätherbst oder Frischzeit am Winterende, könnte die Analyse der Cortisolkonzentrationen hinsichtlich der Jagdform beeinflussen und zu fehlerhaften Schätzwerten führen. In Hinblick auf die Belastbarkeit der in diesem Bericht getroffenen Aussagen wurde bewusst die Jahreszeit als ein zufälliger Effekt in das linear gemischte Modell integriert.

Bei der Betrachtung der Cortisolkonzentrationen der Tiere, die bei drei Jagdformen Einzel-, Bewegungs- und Fallenjagd zur Strecke gekommen sind, treten deutliche Unterschiede zu Tage (Abbildung 10).



Abbildung 10: Die Cortisolkonzentrationen der bei den drei untersuchten Jagdformen zur Strecke gekommenen Wildschweine. Dargestellt sind der Median, die 10., 25., 75. und 90. Percentele sowie Daten außerhalb.


Bei der statistischen Analyse weisen die Tiere aus dem Fallenfang eine zweimal höhere normierte Cortisolkonzentration auf als Tiere, die auf der Einzeljagd erlegt wurden. Bei den Tieren, die bei der Drückjagd erlegt worden sind, sind die normierten Cortisolkonzentrationen gegenüber den Tieren aus der Einzeljagd höher, liegen aber unterhalb des Niveaus der Tiere, die durch den Fallenfang zur Strecke gekommen sind (Abbildung 10 und 11).

Abbildung 11: Die durch das linear gemischte Modell geschätzten normierten Cortisolkonzentrationen der bei den drei untersuchten Jagdformen zur Strecke gekommenen Wildschweine. Im Unterschied zur Abbildung 10 wurden bei dem Modell neben der Jagdform auch das Alter (geschätztes Alter in Monaten/4), das Geschlecht und das Jahr als unabhängige Variablen berücksichtigt. Zudem wurde der Monat als zufälliger Effekt berücksichtigt. Einzeljagd n=33, Drückjagd n=92, Fallenjagd n=126. Dargestellt sind die mittleren Schätzwerte sowie deren 95 %iges Vertrauensintervall.


Bei Betrachtung der verschiedenen Jagdarten wird deutlich, dass sich die Cortisolkonzentrationen zwischen Ansitz- und Pirschjagd ebenso wenig unterscheiden wie zwischen freilebenden und in einem großen Gatter gehaltenen Wildschweinen, die auf einer Drückjagd zur Strecke gekommen sind. Lediglich bei der Fallenjagd zeigen sich deutliche Unterschiede bei den Cortisolkonzentrationen zwischen den verwendeten Fallentypen. Bei den Tieren, die mittels einer Lotin®-Falle gefangen wurden, konnten die höchsten Cortisolkonzentrationen festgestellt werden. Die Wildschweine, die mittels eines Netzfangs zur Strecke gekommen sind, wiesen tendenziell die geringsten Cortisolkonzentrationen von den in einer Falle gefangenen Tieren auf, während die Cortisolkonzentrationen der in einer Holzfalle gefangenen Tiere zwischen denen aus dem Netzfang und der Lotin®-Falle liegen (Abbildung 12).



Abbildung 12: Cortisolkonzentrationen der Wildschweine in Abhängigkeit zur Jagdart. Dargestellt sind der Median, die 10., 25., 75. und 90. Percentele sowie Daten außerhalb.


Die in der vorliegenden Studie gefundenen Unterschiede in den Cortisolkonzentrationen der Wildschweine in Abhängigkeit zu der jeweiligen Jagdart bestätigen die Ergebnisse ähnlicher Studien anderer Arbeitsgruppen (z. B. Westhoff et al. 2022, Gentsch et al. 2018, Torres-Blas et al. 2020) Der Entzug einer Fluchtmöglichkeit bedingt für die jeweils betroffenen Tiere eine durchweg höhere Stressbelastung als die direkte Beunruhigung durch Menschen und Hunde während einer Drückjagd, bei der sie sich aktiv der Bedrohung entziehen können. Vermutlich ist dies auch der Grund, warum alle Tiere bis auf ein Fangereignis (einmal zwei Tiere) die Abfangkiste meist zügig und ohne äußeren Druck binnen weniger Minuten angenommen haben.

Die relativ deutlichen Unterschiede in den Cortisolkonzentrationen der Wildschweine, die in den verschiedenen Fallentypen zu beobachten waren, waren so besonders im Hinblick auf den Lotin®-Fallentyp vorab nicht erwartet worden. Über die möglichen Gründe, warum die Tiere in einer Lotin®-Falle meist höhere Cortisolkonzentrationen als in einer Holzkastenfalle aufwiesen, kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Neben einer unterschiedlichen Akustik innerhalb der Falle und eines geringeren Platzangebotes der Lotin®-Falle im Vergleich zu den anderen Fallentypen könnte auch die schlechtere Belüftung und, damit verbunden, die höhere thermische Belastung bei den gefangenen Tieren beigetragen haben. Zudem ist von dem vorhanden Videomaterial ersichtlich, dass die gefangenen Tiere nicht zur Ruhe gekommen sind und sich bis zur Tötung sehr unruhig verhalten haben.

Die Einbindung des Netzfangs des Pig Brig® Trap Systems in diese Studie erfolgte erst nachträglich ab 2022, da dieser Fallentyp relativ neu ist und in Deutschland erst im Zuge des ASP-Geschehens in den ostdeutschen Bundesländern eingesetzt wurde. Wie schon erwähnt, tritt der Stressor „Entzug der Fluchtmöglichkeit“ bei diesem Fangtyp für die betroffenen Tiere nur individuell und zeitverzögert ein. Erst wenn sich ein Wildschwein aus dem Fangnetz begeben möchte, stellt das Tier fest, dass es nicht mehr wie gewohnt unter dem Netz durchschlüpfen kann und fängt an, entlang des Netzes nach einem Ausweg zu suchen. Diese Suchbewegungen vereinzelter Tiere stellen für die anderen Wildschweine keine Alarmsituation dar, so dass der Entzug einer Fluchtmöglichkeit erst zeitverzögert durch die einzelnen Gruppenmitglieder realisiert wird. Dies könnte auch der Grund sein, warum die Cortisolkonzentrationen der Tiere bei diesem Fallentyp die größte Variationsbreite aller untersuchten Jagdarten aufweist und gleichzeitig die tendenziell niedrigsten im Vergleich zu den anderen beiden Fallentypen.

Sicherlich ist es fachlich richtig, von der Höhe der Cortisolkonzentration auf eine entsprechende Intensität der Stressbelastung des Individuums zu schließen. In der vorliegenden Untersuchung wurden die Cortisolkonzentrationen der Tiere, die auf der Ansitz- und Pirschjagd erlegt worden sind, als Basiswerte ohne eine jagdlich induzierte Stressbelastung herangezogen. Bedacht werden sollte indes immer, dass die Cortisolfreisetzung im Mittel erst um fünf Minuten zeitversetzt zum Stressor eintritt (Sheriff et al. 2011, De Kloet et al. 2005). Somit kann dieser Parameter nicht zur Einschätzung möglicher Stressbelastungen dienen, bei der zwischen Stressor und Tod des Tieres weniger als die benötigte Reaktionszeit liegt. Aus diesem Grund wurden ganz bewusst die vorliegenden Daten nicht auf einen möglichen Effekt durch den Einsatz eines Abfangkastens oder der Fixation der Tiere hin analysiert. Eine Bewertung der Stressbelastung der Wildschweine im Netzfang ohne Fixierungsmöglichkeit und mit sehr kurzen Annäherungs- und Tötungsphase gestaltet sich ebenfalls schwierig.

Ein möglicher Blutparameter, der für eine Beurteilung dieser kurzfristigen Stressbelastungen geeignet wäre, könnte zum Beispiel die Chromogranin A-Konzentrationen sein, wie es Fahlman et al. (2021) vorschlägt. Die Chromogranin-A-Konzentration korreliert gut mit der Freisetzungsrate des Norepinephrin oder Noradrenalin und könnte daher als Marker für das schnell reagierende adrenomedulläre sympathische Nervensystem (Dimsdale et al., 1992) dienen, zumal es direkt nach einer Stresssituation ausgeschüttet wird und unabhängig vom Tagesrhythmus ist (Yamakoshi et al., 2009). Allerdings ist eine Lagerung der Probe bei 2 bis 8 °C unbedingt zu vermeiden, so dass eine Berücksichtigung dieses Parameters nicht nur eine separat zu entnehmende Probe, sondern auch ein zusätzliches Procedere erfordert hätte (Universitätsklinikum Bonn, Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie, Zentrallabor, Leistungsverzeichnis Version 8, 2018).

Personaleignung

Die Auswahl des Personals für den Schwarzwildfang ist eine sehr entscheidende Komponente. Jäger die einen zu hegerischen Ansatz bei der Bejagung des Schwarzwildes verfolgen, sollten nicht unbedingt mit dieser Jagdmethode betraut werden. Denn unabhängig, ob eine offen geäußerte oder ggf. innerliche Abneigung gegenüber der Methode besteht, kann in diesem Fall der Schwarzwildfang niemals effektiv gestaltet werden. Das Motto: “Wer nicht fangen will, der fängt auch nichts“, hat sich im Verlauf der Projekte immer wieder bestätigt. Neben einer Abneigung gegenüber dieser Methode waren Befürchtungen über eine zu starke Reduktion des Schwarzwildes oder schlicht mögliche Einschränkungen bei anderen jagdlichen Aktivitäten Gründe für eine etwaige Ablehnung oder gar Boykottierung des Schwarzwildfangs.

Bei dem für den Fangablauf zuständigen Personal hat sich gezeigt, dass der Besitz eines Jagdscheines und Erfahrungen mit Schwarzwild allein nicht ausreichen, um für die Tötung im Fang geeignet zu sein. Neben überdurchschnittlichen Schießfertigkeiten sollten eine gewisse Stressresilienz und Improvisationsvermögen beim Schützen vorhanden sein, um auf die unterschiedlichsten Situationen stets zielgerichtet reagieren zu können. Der Schütze sollte über eine hohe emotionale, wie auch psychische Belastbarkeit verfügen, um bei der räumlichen Nähe zu den Tieren eine professionelle Tötung zu gewährleisten. Dabei sollte vorab nicht nur eine theoretische Schulung zum Schwarzwildfang erfolgen, sondern die darauf ausgerichtete Ausbildung einen praktischen Teil enthalten, um die Schützen langsam an das Thema heranzuführen. Dadurch sind viele, teils bereits vorhersehbare menschliche Fehler bei dieser sensiblen Arbeit vermeidbar. Die wichtigste Empfehlung deshalb ist, den Schwarzwildfang nicht in “Jedermanns Hand“ zu legen.

Um eine tierschutzkonforme Handhabung des Schwarzwildfanges fach- und sachgerecht gewährleisten zu können, sollte ein geeigneter und geschulter Personenkreis den Schwarzwildfang durchführen.

Der Fallenfang des Schwarzwildes als Methode des Managements stellt die höchsten Stressbelastung dar und ist deshalb im Sinne des Tierschutzes kritisch zu betrachten. Beim Vergleich der in dieser Studie eingesetzten drei Fallentypen scheint die Lotin®-Falle den meisten Stress bei den gefangenen Wildschweinen auszulösen, während der Netzfang vermutlich durch sein Reusenfangprinzip und der blickoffenen Bauweise den geringsten Stress bei den Wildschweinen induziert.

Über die Beurteilung der Stressbelastung durch den Parameter Cortisol hinaus, muss hier auch festgehalten werden, dass durch die Verwendung von nachgebenden Netzen (Pig Brig®) die Verletzungsmöglichkeiten für die Tiere während ihres Fallenaufenthaltes weitgehend minimiert werden können.

Im Sinne des Tierwohls muss immer das schonendste Mittel angewendet werden, um ein definiertes Ziel zu erreichen. Erst, wenn mit diesem Mittel das notwendige Ziel nicht erreicht wird, kann unter Abwägung der Rechtsgüter und Gründe auf ein weniger tierschonendes Verfahren gewechselt werden. Auf solch einer Eskalationsleiter wäre demnach der Schwarzwildfang eine nachgelagerte Option im Sinne einer „ultima ratio“ und nur unter besonderen Umständen einzusetzen. Dies wäre zum Beispiel bei einem aktiven ASP-Seuchengeschehen und dort, wo andere jagdliche Methoden nicht zur Anwendung bzw. eingeschränkt zur Anwendung kommen können, der Fall.

Tötung des Schwarzwildes

In Abstimmung zwischen der Obersten Jagdbehörde (MLR BW), der Stabstelle Tierschutz und der Wildforschungsstelle wurde für Baden-Württemberg seit 2018 die Verwendung eines Mindestkalibers (.222 Rem) für die Tötung von Schwarzwild an und in Fallen festgelegt. Die Empfehlung der Wildforschungsstelle für die zu verwendenden Kaliber sind .222 Rem, .223 und .300 Blackout. Alle drei Kaliber liegen innerhalb der Parameter (<2.000 Joule) des für die Abfangkästen erstellten Gutachtens zum Beschuss und Arbeitssicherheit (Kordick 2018, 2019). Neben den Kaliber- und Energievorgaben sollten grundsätzlich leistungsstarke Schalldämpfer zum Einsatz kommen, um eine möglichst große Minimierung der Geräuschkulisse beim Tötungsvorgang zu erreichen. Zudem ist für den Schwarzwildfang die ausschließliche Verwendung bleifreier Munition in Baden-Württemberg vorgeschrieben.

Für das Erlegen mittels Schuss auf das Haupt (Schädelplatte oder hinter das Licht (Auge)) hat sich frangible Munition bewährt. Diese hat einen dünnwandigen Geschossmantel und ist innen mit einer verpressten bleifreien Kupferstaublegierung bestückt. Im Zielmedium kommt es gerade auf kurzen Distanzen zu einer explosionsartigen Totalzerlegung in staubfeine Partikel des Geschosses. Dadurch wird eine vom Tierschutz geforderte sofortige Tötungswirkung auf sehr kurzen Distanzen sicherer erreicht, als mit anderen möglichen Geschossen. Zudem ist bessere Arbeitssicherheit bezüglich der Gefahr möglicher Querschläger gewährleistet. Ungewollte Verletzungen beim Töten von anderen Tieren im Rahmen des Fangs ganzer Rotten, die sich zumeist dicht aneinanderdrängen, ist mittels dieses Geschosstyps nahezu nicht möglich, da es so gut wie nie einen Ausschuss gibt.

Bei einem Team mit entsprechenden Erfahrungen bezüglich der Abläufe dauert der gesamte Tötungsprozess selbst bei umfangreicheren Fängen insgesamt nur wenige Minuten.




Abbildung 13: Die Erlegung innerhalb des Netzfanges erfolgte mittels verschiedener Beleuchtungsvarianten und Zieleinrichtungen. In der Praxis hat sich eine Nahvisierung mit Leuchtpunkt und eine am Lauf befindliche breitstreuende Lichtquelle als die praktikabelste Lösung zu Tötung der Tiere erwiesen.


Für Fallentypen mit festen Baumaterialien sollte grundsätzlich ein Abfangkasten mit Fixierungsmöglichkeit verwendet werden (Abbildung 14). Auf Grund der Fixierungsmöglichkeit ist es möglich, Einzeltiere genauso wie ganze Rottenverbände durch Schüsse auf die Schädelplatte in sehr kurzer Zeit zu töten. Die Tötung im Netzfang sollte zeitnah zur Fallenannahme erfolgen, was mit entsprechendem technischem Equipment (Livestream) problemlos möglich ist. Die Tötung innerhalb des Netzes ohne Fixierung Bedarf entsprechend ausgewähltes und geschultes Personal. Beim direkten Tötungsvorgang sollten immer die adulten vor den juvenileren Tieren und die unruhigeren vor den ruhigeren Tieren erlegt werden.

Da beim Netzfang die Tötung direkt im Fang erfolgt, sollte die Möglichkeit gegeben sein, Waffen mit größerer Magazinkapazität nutzen zu dürfen (Abbildung 13). Im Rahmen des Projektes stellte sich heraus, dass die Verwendung von kleineren Magazinen (4 – 5 Schuss) zu nicht unerheblichen Zeitverzögerungen beim Tötungsvorgang führte. Mit Waffen, welche über entsprechend größere Magazinkapazitäten verfügen, sind kürzerer Nachladezeiträume möglich. Zudem sollten grundsätzlich leistungsstarke Schalldämpfer zur erheblichen Minimierung der Geräuschkulisse beim Tötungsvorgang verwendet werden. Des Weiteren sollte bei den Netzfängen auch Schüsse auf den Ohrenbereich (Teller) des Wildschweins möglich sein, da gerade mit der verwendeten frangiblen Munition hier eine sofortige Tötungswirkung festgestellt wurde. Nur bei sehr kleinen und sehr jungen Tieren wurden erhebliche Wildbretzerstörungen festgestellt.



Abbildung 14: Erlegungsposition von fixiertem Schwarzwild innerhalb des Abfangkastens. Der Schalldämpfer kann von oben auf die Schädelplatte aufgesetzt werden.


Die Erlegung der Wildschweine hat abhängig von der Tieranzahl im Abfangkasten zwischen ≤ 1 bis 7 Minuten gedauert (Ø 2,3 Minuten, vgl. Abbildungen 15 und 16) und beim Netzfang Ø 7 Minuten (Abbildung 15). Hier hätte mit größeren Magazinkapazitäten und dem Hintenanstellen der Wildbretverwertbarkeit noch schneller agiert werden können.

Abildung 15: Übersicht über die Tötungsdauer: 1. Direkt in der Falle (Ø 6,5 Minuten, max. 18 Minuten, min. 0,5 Minuten von 10 Fängen). Dabei handelt es sich überwiegend um die Tötung direkt im Netzfang. Ausnahmen sind eine Tötung direkt in der Lotin und zwei im Holzfang. 2. Mit Abfangkasten (Ø 3 Minuten, max. 8,5 Minuten, min. 0,5 Minuten von 16 Fängen). Insgesamt wurde die höchste Tötungsdauer von 18 Minuten in der direkten Erlegung in der Lotin®-Falle erreicht. Basierend auf der gemachten Erfahrung bei diesem Fang, wurden alle weiteren mit der Lotin® gefangenen Wildschweine mit der Abfangkiste entnommen. Im Netzfang wurde ausschließlich direkt in der Falle erlegt (Ø 7 Minuten, max. 10 Minuten, min. 1 Minute von 7 Fängen). Der Zusammenhang der Tötungsdauer mit der Anzahl Wildschweinen wird in Abbildung 16 dargestellt.


Abbildung 16: Übersicht über die Tötungsdauer im Zusammenhang der Gesamtanzahl gefangener Wildschweine pro Fangereignis. Die Entnahme erfolgte bei den Netzfängen und bei einem Lotin®-Fang direkt in der Falle. Wie zu erwarten, zeigt sich, dass mit zunehmender Tieranzahl auch die Tötungsdauer zunimmt. Diese Tendenz spiegelt sich sowohl bei der Entnahme mit dem Abfangkasten, als auch beim Netzfang wieder. Beim Netzfang weist, aufgrund der Mobilität der Tiere im Fang, die Gesamt-Tötungsdauer größere Varianzen auf als in der Abfangkiste.



Einsatz im Rahmen des Wildtiermanagements ohne ein Seuchengeschehen (ASP)

Ein großflächiger Einsatz des Schwarzwildfangs im Rahmen des Managements dieser Wildart wird unter seuchenfreien Bedingungen, bei einer möglichen Ausschöpfung aller anderen Jagdarten in Baden-Württemberg, nicht empfohlen. Der sehr begrenzte Einsatz in regionalen Gebietskulissen, in denen das Spektrum der Jagdmethoden stark eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung steht, wird als etwaig letzte Handlungsoption im Rahmen des Managements dieser Wildart als möglich angesehen.

Dabei sollte in “Nicht-Krisenzeiten“, wenn eine Vermarktung der Tiere beabsichtigt wird, der Hinweis auf einen verstärkten Wildbretanfall erfolgen. Die Abklärung der Vermarktungsstrategie sollte bereits im Vorfeld erfolgen. In den geschilderten, besonders effektiven Zeiträumen ist zudem mit hohen Stückzahlen von geringen, schwer bis nicht vermarktbaren Tieren zu rechnen. Bei diesen sollten niederschwellige Preisangebote im Vorfeld angedacht werden, so dass ein für den entsprechenden Verarbeitungsaufwand akzeptables Preis-Leistungs-Verhältnis besteht.

Bezüglich der Geschosswirkung konnte bei der Verwendung von frangibler Munition bei durchgeführten frontalen und seitlichen Hauptschüssen auf sehr kurze Distanz eine sehr schnelle und sichere Tötungswirkung sichergestellt werden. Bezüglich der Vermarktungsmöglichkeit war festzustellen, dass trotz größerer Zerstörungen im Schädelbereich bei einer veterinärmedizinischen Begutachtung des Wildbrets in der Regel keine größeren Wildbretentwertungen festgestellt werden konnten. Das von der Wildforschungsstelle vorrangig genutzte Kaliber (.222 Rem) stellte sich in der Wirkung für alle erlegten Tiere als völlig ausreichend da. Bei sehr geringen Tieren war die beobachtete Wildbretzerstörung wie zu erwarten deutlich umfangreicher als bei stärkeren Tieren.

Einsatz im Rahmen eines möglichen Seuchengeschehens (ASP)

Im Fall eines möglichen Seuchengeschehens durch die ASP ist für eine zügige und umfangreiche Absenkung des Schwarzwildbestandes, gerade vor dem Hintergrund einer möglichst geringen Versprengungsgefahr, der Schwarzwildfang eines der notwendigen prioritären Mittel. Dabei sollten in großflächig beruhigten Gebieten ohne Jagddruck vorrangig sowohl Netzfänge (Pig Brig®), als auch Großfanganlagen berücksichtigt werden.

Bei Großfanganlagen und Holzfängen in Modulbauweise wird eine anhängerbasierte Abfangkiste empfohlen. Diese ermöglicht es, die gefangenen Tiere mittels Lebendtransport ohne tierschutzrechtliche Bedenken an einen speziell hierfür vorgesehenen Ort zu verbringen und die Tötung dort zentral durchzuführen. Dieser Ort sollte den separierten und seuchenhygienischen Anforderungen innerhalb der Restriktionszone entsprechen. Zudem ist es mit dieser Methode möglich, mehrere Fallen an verschiedensten Standorten gleichzeitig ohne größere nächtliche Flächenbeunruhigung fängisch zu stellen, da die Fangorte am nächsten Morgen nacheinander abgearbeitet werden können. Das ermöglicht im Rahmen eines Seuchenausbruchs einen ressourcenschonenderen Personaleinsatz, bei einem zeitgleich langanhaltenden Betrieb. Eine Vorgehensweise mit händischer Auslösung vor Ort wird nicht empfohlen, da diese Methodik viel personalintensiver ist und die vorhandenen Personalressourcen auf Dauer übersteigen dürfte. Zudem führt eine häufige menschliche “Nachtaktivität“ ohne tatsächliches Fangereignis in beruhigten Bereichen doch zu einer Störung, was wiederrum eine Versprengungsgefahr nach sich ziehen könnte.

Die flexibleren und effektiven Netzfänge (Pig Brig®) werden zur schnellen Bestandsreduktion favorisiert. Ein weitergehender Einsatz der Netzfänge wird auch nach einer ersten Absenkung der Schwarzwilddichte auf der gesamten Fläche als erfolgsversprechend angesehen. Eine sinnvolle und den örtlichen Begebenheiten entsprechende Kombination dieser verschiedenen Fallentypen wird dabei als zweckmäßig erachtet. Dabei ist eine genaue Analyse, wo welcher Fallenstyp sinnvoll und notwendig ist (Bsp. Netzabdeckung für Überwachungstechnik), von entscheidender Bedeutung. Es hat sich bewährt, die Netzfänge im Livestream zu überwachen um ständig sofort auf etwaige Begebenheiten und sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen der Tiere reagieren zu können. Für Großfanganlagen ist neben einer Selbstauslösung auch eine Funkfernauslösung vorstellbar, da damit noch größere Fangumfänge inklusive adulteren Tieren (> 24 Monate) sich realisieren lassen. Nach der ersten Bestandsabsenkung mittels Falle sollte berücksichtigt werden, dass zumeist nicht gefangene adulte erfahrenere Tiere mit Hilfe von anderen Methoden erlegt werden müssen. Neben dem Ansitz bietet sich dabei die Pirsch mit Funkkameras und entsprechenden Pirschteams oder die Steuerung von Pirschteams mittels Drohne an.

Zusammenfassung

Der Schwarzwildfang wird in gesellschaftlichen, wie jagdlichen Kreisen sehr kontrovers und häufig sehr emotional diskutiert. Die Beweggründe liegen dabei in den unterschiedlichen Interessen der einzelnen Argumentationsgruppen. Die Wildforschungsstelle wurde auf Grund ihrer vielfältigen Erfahrungen beim Schwarzwildfang zum Zwecke der Forschung vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) damit beauftragt, unterschiedliche Fangtypen vor dem Hintergrund eines möglichen Seuchengeschehen (ASP) in Baden-Württemberg zu eruieren und die gewonnenen Erfahrungen zu bewerten. Dabei sollten mögliche Einsatzgebiete aufgezeigt und erörtert werden, unter welchen Bedingungen ein effizienter Einsatz dieser Methode möglich ist. Ein weiteres Ziel dieses Projektes war die Weiterentwicklung von Abläufen, um eine tierschutzkonforme Handhabung dieser Methode zu testen und so weit wie möglich für die Praxis zu optimieren.

Der Schwarzwildfang wird in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt. In Baden-Württemberg unterliegt der Schwarzwildfang einer Einzelfallprüfung und Genehmigung durch die Oberste Jagdbehörde im Rahmen des Wildtiermanagements (JWMG). Das ermöglicht dem zuständigen Ministerium einen Abwägungsprozess zwischen Notwendigkeit des Einsatzes, Festlegung auf die Art der Fanganlagen und Berücksichtigung der Belange des Tierwohls durch entsprechende Auflagen vorzunehmen.

Der Schwarzwildfang sollte aufgrund seines hohen Belastungspotentials für die Tiere als „ultima ratio“ des Managements dieser Wildart, die letzte Option für (einzelne oder partielle) Ausnahmefälle darstellen und dennoch eine probate Handlungsoption bieten können. Er soll keinesfalls als „normal gebräuchliches oder übliches“ jagdliches Instrument angesehen werden. Der Schwarzwildfang kann bei einer Begrenzung der Bestandsentwicklung in Regionen mit erheblichen jagdlichen Einschränkungen dienen. Im Falle eines ASP- Seuchenszenarios ist der Saufang eine elementare Methode des Seuchenmanagements.

Die gewonnenen Erfahrungen zeigen, dass Schwarzwild mit nahezu allen getesteten Fallentypen gefangen werden kann. Fangerfolge und die damit verbundene Effizienz dieser Methode sind jedoch stark von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Zu diesen Faktoren gehören der Wille der vor Ort in den Fang eingebundenen Akteure, den Schwarzwildfang durchzuführen bzw. zumindest zu unterstützen und dabei temporäre jagdliche Einschränkungen hinzunehmen. Um den Schwarzwildfang effektiv gestalten zu können, sollte eine entsprechend hohe Schwarzwilddichte vorhanden sein und es sollten Phasen mit einer Verknappung natürlicher Nahrungsressourcen und hohem Energiebedarf der Tiere intensiv genutzt werden.

Erkenntnisse der Wildforschungsstelle zeigen, dass die Methode des Schwarzwildfangs zur Unterstützung der Abschöpfung hoher Schwarzwilddichten besonders geeignet ist. Sie ist jedoch nur als ergänzende Methode anzusehen, da der überwiegende Teil der gefangenen Tiere den jüngeren Altersklassen (AK 0 & AK I) zuzuordnen ist. Besonders effektive Zeiträume liegen zwischen März und August. Dies liegt an dem hohen Energiebedarf der in der Aufzucht befindlichen Jugendklasse und eines geringeren Jagddruckes durch andere Jagdmethoden in diesem Zeitraum.

Der Schwarzwildfang ist allerdings eine sehr ressourcenintensive Methode (Personal, Material und Zeit). Um befürchtete Bedenken bezüglich einer tierschutzkonformen Handhabung entgegen zu wirken, wurden in Baden-Württemberg für die Projekte nur Fallen aus Holz, Holzbausegmente und dehnbaren Netzen (Pig Brig®) eingesetzt. Fallen aus sichtoffeneren festen Materialien (Draht- bzw. Baustahlmatten etc.) werden in Baden-Württemberg vor dem Hintergrund der Anforderungen des Tierschutzes sehr kritisch gesehen und dürfen nur mit einer vollständigen Holzverblendung im Falleninneren eingesetzt werden.

Alle aus festen Baumaterialen bestehenden Fallentypen sollten mit einem ergänzenden Abfangkasten betrieben werden, welcher eine flexible Fixierung aller Tiere ermöglicht. Dabei ist es wichtig, dass nie einzelne Tiere separiert werden, sondern im Regelfall alle Tiere den Abfangkasten gemeinsam annehmen können. Die Entnahmen in Netzfallen finden direkt innerhalb der Anlage, ohne Abfangkasten, statt.

Bei der Bewertung des Verhaltens mittels Ethogrammen wurden bei festen Fallen zwei Stresszeiträume festgestellt. Der erste Zeitraum lag direkt nach Torauslösung, der zweite begann bei menschlicher Annäherung an die Falle. Starker Stress entstand jedoch nur, wenn die menschliche Silhouette über dem Fallenrand sichtbar wurde. Die vollverblendeten Fallen werden durch das Schwarzwild häufig als sicherer Einstand wahrgenommen. Bei einem geringen akustischen Austausch innerhalb des Fangteams begann der Stress für die Wildschweine selbst am Tage erst, wenn die menschliche Silhouette über den Fallenrand zum Anblick kam und während des Tötungsvorganges. Da der Netzfang einen reusenartigen Zugang besitzt, wird die eigentliche Fangauslösung durch die gefangenen Tiere in der Regel nicht wahrgenommen. Somit beginnt der Stresszeitraum für die Wildschweine zumeist erst bei direkter Fallennäherung vom Schützen und beim Tötungsvorgang.

Die Bewertung der Stressbelastung der Tiere wurde zudem mit Hilfe von Blutuntersuchungen auf Cortisol durchgeführt. Dabei wurden die Werte getöteter Tiere verschiedener Jagdarten (Einzeljagd, Drückjagd und Fallenjagd) verglichen. Die geringsten Stresslevel konnten bei der Einzeljagd (Ansitz und Pirsch) festgestellt werden. Danach folgten die Tiere, welche auf Drückjagden erlegt wurden. Die höchsten Cortisol-Werte wurden im Cluster Fallenfang festgestellt. Innerhalb des Clusters Fallenfang konnten die geringsten Cortisol-Werte beim Netzfang festgestellt werden. Der Hauptgrund dafür wird darin gesehen, dass durch das reusenartige Netz die eigentliche Fangauslösung durch die Tiere nicht wahrgenommen wird. Suchbewegungen vereinzelter Tiere stellen für die anderen Wildschweine keine Alarmsituation dar, so dass der Entzug einer Fluchtmöglichkeit erst zeitverzögert durch die einzelnen Gruppenmitglieder realisiert wird. Bei optimierten Fangabläufen kann die Stressphase dabei von der Annäherung bis zur Beendigung des Tötungsvorganges sehr kurz gehalten werden, was auch die niedrigsten Cortisol-Werte erklärt. Die mit Abstand höchsten Cortisol-Werte wurden beim Lotin®-System registriert. Da es bei diesem System durch visuelle Analysen (Ethogramme) bereits zu erheblichen Bedenken bezüglich einer tierschutzkonformen Handhabung kam, wurden keine weiteren Fänge mit diesem System durchgeführt. In Baden-Württemberg wird ein zukünftiger Einsatz dieses Systems daher kritisch gesehen. Eine Einsatzempfehlung könnte dabei nur unter erheblichen Einschränkungen und Auflagen im realen Seuchenfall (ASP) im urbanen Raum sein.

Für die Tötung des gefangenen Schwarzwildes innerhalb des Fanges bzw. in den Abfangkisten ist neben der Maßgabe, nur bleifreie Munition zu verwenden, auch ein Mindestkaliber (.222 Rem) für Baden-Württemberg festgelegt worden. Als die geeignetsten Kaliber werden deshalb .222 Rem, .223 und .300 Blackout angesehen. Für den Einsatz auf kurze Distanz in der gegen Geschossaustritt gesicherten Abfangkiste eignen sich neben frangible Munition auch andere Munitionsarten, während innerhalb des Netzfanges (Pig Brig®) sich frangible Munition als besonders geeignet herausstellte. Auch bei einem Einsatz im urbanen Raum sollte auf Grund der Arbeitssicherheit nur frangible Munition in den genannten Kalibern verwendet werden.

Die für Baden-Württemberg definierten Einsatzgebiete bedürfen verschiedener Voraussetzungen. Ähnlich wie bei der Eignung entsprechender Gebietskulissen ist nicht jeder für die Anwendung dieser Methoden geeignet. Für genau definierte Einsatzgebiete des Schwarzwildfangs sind persönliche Eignung, intensive vorbereitende Schulungen, eine Einarbeitungszeit, entsprechende Zeitressourcen sowie Einsatzerfahrungen wichtig. Um eine tierschutzkonforme Handhabung und Entnahme des Schwarzwildfanges fach- und sachgerecht gewährleisten zu können, sind Personen gezielt hierfür zu schulen.

Eine Kombination aus ca. 8 – 10 Netzfängen sowie 1 – 3 großen Fangkorale je 1.000 ha Wald im ASP-Seuchenfall wird in den entsprechenden Restriktionszonen als sinnvoll erachtet. Eine ausführliche und detaillierte Darlegung der hier zusammengefassten Ergebnisse und Erfahrungen ist durch die Wildforschungsstelle zudem als Leitfaden “Schwarzwildfang in Baden-Württemberg“ zusammengestellt worden.

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