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Auswirkungen des Klimawandels auf Wildtierarten (in Baden-Württemberg)

Hintergrund

Tiere sind dort verbreitet, wo sie die ihren Ansprüchen entsprechende und für das Überleben notwendige Ressourcen finden. Diese Gebiete werden als Lebensraum bezeichnet und sind geprägt durch bestimmte Merkmale und zeitliche Abläufe verschiedener Klimaelemente wie Niederschlag und Temperatur.

Kontinuierliche Veränderungen dieser Klimaelemente aber auch starke zwischenjährliche Schwankungen können die Eigenschaften sowie die komplexen ökologischen Zusammenhänge in diesen Lebensräumen beeinflussen (Fig. 1). Vor allem bei Tierarten, die eine enge Spezialisierung für ganz bestimmte Lebensräume aufweisen, können Veränderungen einzelner Klimaelemente schnell zu einer Beeinflussung der Lebensraumqualität – beispielsweise über eine veränderte Verfügbarkeit an Nahrung und Deckung – und in weiterer Folge zu einer Veränderung der Reproduktionsleistung und Überlebenschancen führen. Zudem kann es auch zu direkten Veränderungen des Verhaltens und der Physiologie kommen, wobei sich die Effekte auch überlagern und gegenseitig beeinflussenden können (Fig.1). 

Wirkungsgraph für die Auswirkungen von Klimavariationen auf die Populationsgröße von Wildtieren
Fig. 1 Wirkungsgraph für die Auswirkungen von Klimavariationen auf die Populationsgröße von Wildtieren (MLR 2022)

Das Klima in Baden-Württemberg

Das Bundesland Baden-Württemberg befindet sich in der gemäßigten Westwindzone. Variationen innerhalb von Dekaden aber auch zwischenjährliche Unterschiede sind häufig in Änderungen atmosphärischer Prozesse begründet. Ein wesentlicher Einflussfaktor für langfristige Entwicklungstrends von Klimaelementen wie Niederschlag und Temperatur (Fig. 2) stellt dabei die derzeit stattfindende globale Erwärmung dar.

Durchschnittliche Temperatur  für Baden-Württemberg im Zeitraum von 1970-2019
Fig. 2 Durchschnittliche Temperatur der Monate Dezember (Jahr x-1) Januar (Jahr x), Februar (Jahr x) und März (Jahr x) für Baden-Württemberg im Zeitraum von 1970-2019. Daten wurden vom Deutschen Wetterdienst bezogen.

Veränderungen der Pflanzenphänologie

In der Pflanzenwelt führen die kontinuierlich ansteigenden Temperaturen während der Wintermonate (Fig. 2) unter anderem dazu, dass die Vegetationsperiode tendenziell früher beginnt. Dies macht sich auch an der Phänologie der Forsythie, einer Indikatorart des Deutschen Wetterdienstes für den Beginn des Frühlings, bemerkbar (Fig. 3). Pro Dekade hat sich der Beginn der Forsythienblüte im Zeitraum von 1970-2019 um durchschnittlich circa 3 Tage in Richtung Jahresbeginn verschoben.

Durchschnittlicher Beginn der Blühte der Forsythie in Baden-Württemberg für den Zeitraum 1970-2019
Fig. 3 Durchschnittlicher Beginn der Blühte der Forsythie in Baden-Württemberg (Tag im Jahr) für den Zeitraum 1970-2019 (Daten wurden vom Deutschen Wetterdienst bezogen). Sehr markant ist die Veränderung zwischen den Jahren 1986 und 1989 bei dem sich auch das globale Klima verändert hat. Im gesamten Zeitraum hat sich der Beginn der Blühte der Forsythie um 15 Tage in Richtung Jahresbeginn verschoben.

Betrachtet man den Beginn der Blühte der Forsythie räumlich explizit für das Jahr 2019 (Durchschnittswert = Tag 79 – vgl. Fig. 3), so fällt auf, dass in der sehr heterogenen Landschaft Baden-Württembergs große Unterschiede hinsichtlich des phänologischen Frühlingsanfanges existieren. Besonders zwischen der Rheinebene bei Freiburg und der Südwest-Grenze des Schwarzwaldes ist eine große zeitliche Diskrepanz festzustellen (Fig.4).

Zeitpunkt des Vegetationsbeginns 2019 in Baden-Württemberg
Fig. 4 Zeitpunkt des Vegetationsbeginns 2019 in Baden-Württemberg (Blühbeginn der Forsythie), wobei die Farbskala von rot nach blau mit einem in 2019 frühen bis späten Vegetationsstart assoziiert ist. Die Punkte stellen die Mittelpunkte ausgewählter Hasenzählreviere dar.

Pflanzen hängen in Ihrer jahreszeitlichen Entwicklung jedoch nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Verfügbarkeit von Wasser ab. Im Gegensatz zum Anstieg der Temperatur, der über die letzten Jahrzehnte dokumentiert wurde, ist der durchschnittliche Niederschlag in Baden-Württemberg pro Jahr durch deutliche zwischenjährliche Schwankungen gekennzeichnet.

Potentielle Auswirkungen von klimatischen Veränderungen für Wildtierarten

Potentielle Auswirkungen der aktuell prognostizierten klimatischen Veränderungen für große Säugetiere umfassen nach dem IPCC (Parmesan et al. 2022):

  1. Die Veränderung des Verbreitungsgebietes
  2. Die Veränderung der lokalen Häufigkeit
  3. Die Veränderung von jahreszeitlichen Aktivitäten (Paarung, Geburt) 
  4. Die Veränderung von Merkmalsausprägungen

Daraus folgen dann (Parmesan et al. 2022):

  1. Veränderungen von Tierartengemeinschaften
  2. Zeitliche und/oder räumliche Verschiebung von Jahreszeitlichen Aktivitäten so dass es innerhalb eines Nahrungsnetzes mindestens 2 Arten gibt (Nahrung <-> Konsument), deren Aktivitäten (siehe Punkt 3) nicht mehr zeitlich auf einander abgestimmt erfolgen (dies wird als „Mismatch“ bezeichnet)
  3. Veränderungen des Zuwachspotentials einer Art (dies beschreibt die Nettobilanz aus Reproduktion und Sterblichkeit)

In letzter Konsequenz können diese Auswirkungen dazu führen, dass bestimmte Arten zuerst lokal und dann global Aussterben (Parmesan et al. 2022). Inwieweit Tierarten von klimatischen Veränderungen betroffen sind, hängt sowohl von der menschlichen Überformung der Landschaft (Fragmentierung, Landnutzung z.B. durch Tourismus, intensive Landwirtschaft), als auch von der Mobilität einer Tierart, ihrer Flexibilität hinsichtlich der Ernährung, der Anzahl der Nachkommen, Ihrer Stellung im Nahrungsnetz als auch von Ihrer Generationszeit ab.

Was wissen wir an der Wildforschungsstelle über Auswirkungen von klimatischen Veränderungen für Wildtiere in Baden-Württemberg?

Die Wildforschungsstelle untersucht die Effekte der Klimaveränderung auf die Bestandsentwicklungen und hinsichtlich jahreszeitlicher Aktivitäten bestimmter Tierarten. Dabei werden auch die Abschuss- und Unfallzahlen bestimmter Tierarten maßgeblich beeinflusst (Fig. 1). Auf Grundlage eines besseren Verständnisses dieser Prozesse können Empfehlungen für Management- und Nachhaltigkeitsstrategien herausgearbeitet werden (JWMG).

Robert Hagen, PhD (Dipl. Systems Scientist)